Microplastics ingestion and heterotrophy in thermally stressed corals

Die Aufnahme von Mikroplastik und Heterotrophie in thermisch gestressten Korallen

 


Wer hat publiziert?

Jeremy B. Axworthy & Jacqueline L. Padilla-Gamiño

 

Wann und wo wurde veröffentlicht?

2019 in Scientific reports.

 

Was ist das Thema der Publikation?

Die wissenschaftliche Arbeit untersucht, wie sich eine Erhöhung der Temperatur auf den Grad der Heterotrophie, also die Ernährung mit bereits vorhandenen organischen Verbindungen, bei Korallen auswirkt. Im Speziellen geht es den Autoren darum zu untersuchen, ob und in welchem Maß die Korallen bei erhöhter Heterotrophie auch mehr Mikroplastik aufnehmen.

 

Zusammenfassung

Die globale Erwärmung und Vermüllung der Ozeane bedroht Korallenriffe und Millionen von Menschen, die auf von und mit diesen Ökosystemen leben. Einige Korallenarten reagieren auf Hitzestress mit dem sogenannten bleaching, also einem absterben/abstoßen ihrer Zooxanthellen, und erhöhen ihre Intensität der Heterotrophie, was wiederum zu einer erhöhten Aufnahme von Mikroplastik führen kann.*

Ob diese heterotrophe Plastizität die Aufnahme von Mikroplastik beeinflusst oder die Aufnahme von Mikroplastik wiederum die Intensität der Heterotrophie beeinflusst ist unbekannt. Um dieser Frage nach zu gehen wurden zwei Korallenarten, Montipora capitata und Pociliopora damicornis, normalen (~ 27°C) und erhöhten (~ 30°C) Temperaturen ausgesetzt, und mit Mikroplastik, Artemia-Nauplien oder beidem gefüttert.

Korallen, die der erhöhten Temperatur ausgesetzt waren, nahmen signifikant weniger Artemia-Nauplien auf, es konnte aber keine Reduzierung der Aufnahme von Mikroplastik beobachtet werden. P. damicornis nahm nur dann Mikroplastik auf, wenn auch Artemia-Nauplien vorhanden waren, was die Autoren als Hinweis sehen, dass Mikroplastik nur versehentlich aufgenommen wird, wenn Nahrung vorhanden ist. Diese erste Studie zum Effekt von thermalem Stress auf die Aufnahme von Mikroplastik bei Korallen zeigt, wie unterschiedlich das Risiko der Aufnahme von Mikroplastik innerhalb der verschiedenen Arten ist. Es ist sehr wichtig, verschiedene Faktoren zu berücksichtigen, wenn die Effekte der globalen Erwärmung auf die Korallen(-riffe) untersucht und beschrieben werden.

---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

* Korallen beziehen unter normalen Umständen bis zu 90 % ihrer Energie aus symbiontischen Algen, den sogenannten Zooxanthellen, die in und auf den Korallen leben. Diese Energie entsteht durch die Photosynthese der Zooxanthellen. Korallen ernähren sich aber auch heterotroph, also durch Aufnahme und Verstoffwechselung von beispielsweise Plankton. Bekommen die Korallen nicht genug Energie von ihren symbiontischen Partnern, können sie die Intensität der heterotrophen Ernährung erhöhen.

 

Hintergrund

Die Riff-bildenden Korallen sind zunehmend durch verschiedene, von Menschen verursachten Probleme wie die globale Erwärmung und die Verschmutzung der Weltmeere, bedroht. Diese Stressoren bedrohen nicht nur die Riffe, sondern auch die sogenannte Ökosystemleistung, die sie für viele Millionen Menschen erbringen. Nach Modellberechnungen werden bis 2070 allein durch die Erwärmung des Meereswassers über 75 % der Riffe von schwerem bleaching betroffen sein. Diese dramatische Entwicklung kann durch weitere Stressoren (wie Mikroplastik) noch verstärkt werden. Jüngsten Untersuchungen zufolge kann Mikroplastik (Plastikteile und Plastikfasern kleiner als 5 Mikrometer) negative Effekte auf Korallen haben.

Unter normalen Lebensbedingungen beziehen Riff-bildende Korallen den Großteil ihrer Energie von symbiontischen Partnern aus der Familie der Symbiodiniaceae, wie der Art Symbiodinium, einem Dinoflagellat. Aus der Aufnahme von Futter wie Zooplankton wird meist weniger Energie bezogen bzw. diese Art der Ernährung spielt eine untergeordnete Rolle. Kommt es jedoch zur Korallenbleiche fehlt die Energie aus der Photosynthese ((Photo-)Autotrophie). Dauert die Erwärmung länger an verbrauchen die Korallen ihre Energiereserven und hungern. Sie können sich meist nur regenerieren, wenn die Temperaturen wieder sinken und die Korallen ihre Zooxanthellen zurückgewinnen.

Einige Korallen reagieren auf thermalen Stress und der damit einhergehenden Bleiche mit einer Anpassung ihrer Ernährung weg von der Energie aus der Photosynthese ihrer Zooxanthellen hin zu einer erhöhten Aufnahme von Zooplankton (Heterotrophie). Diese Strategie wird auch als heterotrophe Plastizität bezeichnet. Die Mechanismen, die hinter dieser Strategie stecken, sind bisher noch nicht untersucht, aber die erhöhte Aufnahme von organischen Kohlenstoffen durch die Heterotrophie kann die Korallen unter thermalen Stress vor dem Verhungern schützen. Andere Korallenarten reduzieren hingegen während oder nach thermalem Stress ihre Nahrungsaufnahme, was ihre Stressresistenz weiter schwächen kann. Korallen, die eine heterotrophe Plastizität zeigen, sind jedoch einem erhöhten Risiko ausgesetzt, neben dem Futter auch unerwünschte Partikel wie Mikroplastik aufzunehmen.

Mikroplastik ist inzwischen in weltweit in aquatischen Ökosystem allgegenwärtig und hat einen negativen Einfluss auf das marine Leben. Schätzungen von 2014 gehen davon aus, dass in den Ozeanen 15 bis 51 Trillionen (eine Trillion hat 18 Nullstellen!) schwimmen. Diese Menge wird sich bis 2025 voraussichtlich noch mal verzehnfachen! Die Risiken, die diese Fracht an Mikroplastik für die marinen Ökosystem mit sich bringt, sind schwer abzuschätzen. Da Mikroplastik in Größe und Form dem Zooplankton ähnlich sind, ist es vermutlich eine Gefahr für planktivore (Plankton fressende) Arten wie Korallen. Bei einigen Organsimen kann die Aufnahme von Mikroplastik zu einer verminderten Futteraufnahme, zu verminderten Wachstum und verminderter Fruchtbarkeit führen. Bei Korallen sind diese Effekte jedoch noch nicht untersucht bzw. verstanden. Darüber hinaus kann Mikroplastik auch als Vehikel für Pathogene und Giftstoffe dienen.

Studien zeigen, dass die Aufnahme von Mikroplastik für Korallen negative Effekte haben kann. Zwar scheiden Korallen das meiste Mikroplastik innerhalb von 48 Stunden wieder aus, dies ist jedoch mit energetischen Kosten verbunden. Schäden, die durch aufgenommenes Plastik in Korallen beschrieben wurden sind eine erhöhte Produktion von Schleimhaut, Bleiche, Nekrosen, Veränderungen in der Photosynthese (der Symbionten) sowie verringerte Wachstumsraten und Nahrungsaufnahme. Bei der Art Astrangia poculata konnte beobachtet werden, dass diese Koralle sich selektiv von sauberem Mikroplastik „ernährt“, wenn ihr als Alternative verschmutze Partikel angeboten werden. Die Autoren dieser Studie vermuten, das chemische Reize des Mikroplastiks zu dessen Aufnahme führen können (Chemorezeption). Eine weitere Studie an A. poculata zeigte, dass die Koralle das Mikroplastik auch gegenüber Artemia-Cysten präferierte und durch die Aufnahme des Plastiks die spätere Aufnahme von Futter unterdrückte.

Um mögliche Wechselwirkungen von thermalem Stress und der Aufnahme von Mikroplastik zu untersuchen wurde die Nahrungsaufnahme von Korallen mit verschiedenen Partikeln/Futtersorten untersucht. Den Korallen wurden bei normaler und erhöhter Temperatur (a) nur Mikroplastik (MP), (b) nur Artemia-Nauplien (AN) und (c) MP und AN gleichzeitig angeboten. Die Arbeitshypothesen waren, dass bei einer Erhöhung der Heterotrophie auch mehr Mikroplastik aufgenommen wird und das sogar relativ mehr MP als AN aufgenommen wird, da das Mikroplastik unter Umständen positive chemische Reize abgibt.

 

Ergebnisse

Beide Arten, Montipora capitata und Pociliopora damicornis, nahmen Mikroplastik auf. Die Anzahl an Plastikpartikeln pro Polypen betrug bei M. capitata 0 bis 1 und bei P. damicornis 0 bis 7. P. damicornis nahm also etwa 520 % so viel MP auf wie M. capitata.

Die Korallen, die der erhöhten Temperatur von 30°C für drei Wochen ausgesetzt waren deutlich sichtbar von der Korallenbleiche betroffen. Dies führte nicht zu signifikant verschiedenen Ingestionsraten von MP. M. capitata nahm in allen Versuchen grundsätzlich sehr wenige Plastikpartikeln auf. Wurde dieser Koralle bei normaler Temperatur MP angeboten, nahm sie gar keine Plastikpartikel auf. Auch unter Hitzestress bei Exposition gegen MP und AN nahm die Koralle keine Partikel auf.

Ein anderes Bild ergab sich für die Koralle P. damicornis: diese Koralle nahm bei beiden Temperaturen signifikant mehr Mikroplastik auf, wenn zusätzlich Artemia-Nauplien gefüttert wurden. Wurde eine Mischung aus MP und AN gefüttert nahm die Koralle in einer Stunde ca. 16 Partikel Plastik pro 200 Polypen auf. Diese Menge reduzierte sich bei erhöhter Temperatur von 30°C auf knapp 10 Partikel pro 200 Polypen. In Abwesenheit echter Nahrung, also der Artemia Nauplien, nahmen die Korallen bei beiden Temperaturen gar kein Mikroplastik auf.

Artemia wurden von beiden Korallen in allen Versuchen gefressen. Die Anzahl der gefressenen Artemien lag bei 0 bis 1 pro Polypen bei M. capitata und 0 bis 12 pro Polypen bei P. damicornis. Nachdem die Korallen dem Hitzestress ausgesetzt waren sank die Futteraufnahme von Nauplien signifikant. Die Hitze gestresste M. capitata nahm pro Stunde statt 12 Nauplien pro 200 Polypen bei nromaler Temperatur nur noch knapp 4 Futtertiere pro 200 Polypen auf. Das gleiche Bild ergab sich in den Versuchsreihen, in denen zusätzlich Mikroplastik gefüttert wurde. P. damicornis nahm pro Stunde ca. 120 Nauplien pro 200 Polypen auf und auch hier sank der Wert nach dem Hitzestress auf etwas 73 Tiere pro 200 Polypen. Wurde den Korallen hingegen eine Mischung aus MP und AN abgeboten zeigte sich ein etwas anderes Bild: bei 27°C nahm die Koralle ca. 134 Artemien pro 200 Polypen auf, dieser Wert sank, nach dem thermalen Stress, nur leicht auf 111 Nauplien pro 200 Polypen.

Die Ergebnisse zeigen, dass der Hitzestress nicht zu einer vermehrten Aufnahme von Mikroplastik führte. Allerdings führte die Exposition gegen 30°C und die damit verbundene Bleiche zu einer signifikant verringerten Aufnahme von Futtertieren. Die Aufnahme von Mikroplastik hatte keinen zusätzlichen negativen Effekt auf die Futteraufnahme und die hier untersuchten Korallen nehmen das Mikroplastik nicht selektiv auf, wie es bei anderen Arten beschrieben wurde. Die beiden untersuchten Arten zeigten sehr unterschiedliche Aufnahmeraten von Mikroplastik und Artemia und die Autoren leiten aus den Ergebnissen ab, dass Korallen sehr artspezifisch auf die Kombination aus Hitzestress und Mikroplastik reagieren.

Im Gegensatz zu anderen Studien, die eine Erhöhung der Heterotrophie nach thermalem Stress bei Korallen beschreiben, zeigen die hier veröffentlichten Daten das Gegenteil, nämlich eine sinkende Futteraufnahme nach Hitzestress. Die Autoren vermuten, dass der Stress zu einer reduzierten Aktivität der Tentakeln und/oder der Funktion der Nematocysten führte und dadurch weniger Nahrung aufgenommen wurde. Ein weiterer Grund, dass keine Erhöhung der Heterotrophie beobachtet wurde könnte darin bestehen, dass der thermale Stress noch nicht stark genug war um eine entsprechende Reaktion zu provozieren, dass es also einen kritischen Grenzwert gibt, ab dem die Korallen ihren Stoffwechsel umstellen. Andere Studien haben das Ansteigen der Heterotrophie erst nach 2 Wochen nach dem Hitzestress beobachtet, während bei dieser Studie die Nahrungsaufnahme unmittelbar nach der Exposition untersucht wurde. Die Autoren vermuten, dass Korallen erst eine gewisse Zeit im Zustand der Bleiche verbringen, bevor ihre Energiereserven aufgebraucht bzw. ein kritisches Energieniveau erreicht ist, dass sie die Intensität der Heterotrophie erhöhen. Andere Arten, bei denen die heterotrophe Plastizität nachgewiesen wurde sind Turbinaria reniformes und Galaxea fascicularis die fünf Tage nach einem Hitzestress eine erhöhte Aufnahme von Futter zeigten.

Die Studie gibt zwar keine konkreten Hinweise darauf, dass die Anwesenheit von Mikroplastik die Aufnahme von Artemien störte, die Versuchsdauer war mit nur einer Stunde jedoch so gering, dass die Autoren darauf verweisen, dass diese Frage weiter untersucht werden muss. Die Autoren vermuten, dass eine längere bzw. dauerhafte Exposition gegen Mikroplastik zu einer Anreicherung des Mikroplastiks in den Polypen führen kann und damit die weitere Aufnahme von Lebendnahrung verhindert. Der Grad der Anreicherung ist jedoch von der Verweildauer (Retention) und der Ausscheidung (Egestion) abhängig. Zu diesem Thema gibt es bisher jedoch keine daten bzw. Veröffentlichungen.

Eine Chemorezeption, also die Abgabe von sogenannten Phagostimulanzen, die Korallen anregen, Mikroplastik zu „fressen“, konnte im Experiment nicht nachgewiesen werden. Eine Vermutung der Autoren ist, dass die Art des Plastiks hier eine Rolle spielt. Im Versuch wurde lediglich Polyethylen (PE) verwendet. Eine andere Studie, die eine Chemorezeption nachwiesen hat, verwendete eine Mischung aus 2/3 PE und 1/3 Polystyrol. Neben der Zusammensetzung des Mikroplastiks sind zudem auf artspezifische Unterschiede bei den Korallen zurück zu führen.

Zwar zeigte diese Studie, dass, entgegen der Arbeitshypothese, ein thermaler Stress zu einer reduzierten und nicht erhöhten Aufnahme von Mikroplastik führte, die Autoren verweisen aber auf zahlreiche kritische Faktoren, wie Mikroplastik auf Korallen wirken kann. Die Aufnahme und Ausscheidung von Mikroplastik kosten die Koralle Energie. Die Exposition gegen Mikroplastik kann zudem Abstoßungs-Reaktionen hervorrufen (ähnlich wie bei Stress durch Sedimentüberlagerung). Energie, die die Koralle verbraucht, um die Mikroplastik bedingten Effekte zu lösen fehlt dann als Reserve oder drückt sich in einem verringerten Wachstum aus.

 

Fazit

Die Ergebnisse dieser Studie und anderer Studien zu diesen Themen zeigen, dass Korallen offenbar sehr unterschiedlich und artspezifisch von Mikroplastik bedroht sind. So verweisen die Autoren darauf, dass Mikroplastik nicht per se „schmackhaft“ für alle Korallen sind (Chemorezeption) und die Aufnahme von Mikroplastik sehr artspezifisch ist. Die weitere Forschung sollte sich darauf konzentrieren, welche Korallenarten besonders von Mikroplastik bedroht sind. Der Fokus sollte, nach Meinung der Autoren, dabei auf folgenden Fragen liegen:

 

(1)    Welche physiologischen Effekte ruft Mikroplastik in den Korallen hervor?

 

(2)    Wie wirkt sich die Ernährungsweise der Koralle auf die Aufnahme von MP aus?

 

(3)    Wie wirkt sich die Aufnahme von MP auf die Aufnahme und den Stoffwechsel echter Nahrung aus?

 

(4)    Welche Plastiksorten geben Phagostimulanzen ab?

 

(5)    Welche Korallenarten sind von diesen Phagostimulanzen betroffen und damit besonders bedroht?

 


Axworthy, J.B., Padilla-Gamiño, J.L. Microplastics ingestion and heterotrophy in thermally stressed corals. Sci Rep 9, 18193 (2019). https://doi.org/10.1038/s41598-019-54698-7

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0